Coverbild: Matthew Radford, Red Bus II, 1995


British Art +

Nigel Hall - David Nash - Kenny Hunter - Matthew Radford - May Cornet


Hg: Margit Biedermann Foundation

Texte: Tobias Wall, Gabriele Holthuis, Thomas Elsen,
Drew Hammond, Rachel Spence


136 Seiten, 24 x 28 cm, deutsch / englisch
73 Farbabbildungen, Hardcover, Fadenheftung


modo Verlag, Freiburg, 2015

ISBN 978-3-86833-156-1 - € 29,50 / CHF 31,50

 

 

 

British Art +

Nigel Hall, David Nash, Kenny Hunter, Matthew Radford und May Cornet im Donaueschinger Museum Biedermann.

Kennen Sie diese fünf Künstler?

Das Museum Biedermann zeigt fünf britische Künstler, die trotz vieler Einzel- und Gruppen- Ausstellungen weltweit, manchem Kunstfreund kaum bekannt sind.
Das + im Titel des Katalogs steht nach dem Bekunden von Frau Biedermann für: "Walking the extra mile". Was meint sie wohl damit?
Man spürt es deutlich, die Organisatoren haben sich reingekniet und präsentieren eine sehr eindrucksvolle Ausstellung. Nur durch eine Jahrzehnte lange Zusammenarbeit mit weiteren Museen und den Künstlern wurde dies möglich. Sie alle sind die "Extrameile" gegangen.

Machen also auch Sie, lieber Kunstfreund, ein paar Extrameilen. Besuchen Sie diese Ausstellung!
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Zum Katalog:
1. Vorwort - (Margit Biedermann)
2. Einleitung - (Simone Jung)
3. Künstlerzitate
4. Nigel Hall: Konversationen - Meditationen - (Tobias Wall)
5. David Nash: The land lives in me, just as I live in the land - (Gabriele Holthuis)
6. Kenny Hunter: "... the nature of reality - über Kenny Hunter" - (Thomas Elsen)
7. Matthew Radford: Der flüchtige Blick - das Rätsel der Erinnerung - (Drew Hammond)
8. May Cornet: "Ich denke, ich suche immer nach dem Schönen" - (Rachel Spence)
Künsterbiografien - Impressum
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Die Autoren sind Kunsthistoriker, Kunstwissenschaftler, Museumsleiter oder Kunst- und Ausstellungsjournalisten. Sie haben ein profundes Wissen zu Lebenslauf, Werdegang, Techniken, Material und charakteristischen Sujets der jeweiligen Künstler. Sie beschreiben versiert deren Ideen und Intentionen. Die Texte sind ab und zu mit akademischer Gründlichkeit überfrachtet. Wer sich intensiver mit allen ausgebreiteten metaphysischen, spirituellen, philosophischen oder literarischen Bezügen eines Künstlers beschäftigen will, kann und wird dies in Ruhe tun - zu Hause.

Tobias Wall beschreibt sehr erzählerisch die abstrakten Plastiken und die Kohle- und Gouache Zeichnungen von Nigel Hall. Allen liegen Halls Eindrücke und Empfindungen zu Grunde, die er in der Landschaft und Natur bei seinen weltweiten Reisen erlebt und skizziert hat. Bergrücken und Seen, ein Schwarm Fische in klarem Wasser, Hall setzt sie in seinen Zeichnungen zu geometrischen Formen um, in Ringe, Zylinder oder Schleifen. Besonders wichtig ist ihm das Zusammenspiel ihrer Schattenwirkung und ihrer Balance. Das erfordert stets eine exakte Platzierung in der Landschaft und in Innenräumen. Wechselndes Licht und Perspektive des Betrachters lassen unterschiedliche Raumwirkungen entstehen.
Ob im Freien oder in Ausstellungsräumen, Halls Groß-Skulpturen aus Corten-Stahl, Bigger Bite und Wide Passage, (2007 auch schon im englischen Yorkshire Sculpture Park aufgestellt), bestechen überall. Halls Skulpturen aus Holz in Innenräumen sind naturbelassen, seine Kohle- und Gouache Zeichnungen können durch zurückhaltende Farbgebung und schattenhafte Verwischungen Raumillusionen erzeugen.

Gabriele Holthuis beschreibt David Nashs Werke recht ausführlich. Aus einfachen Elementen gestaltet Nash ein komplexes Spiel um Natur, Kunst und spirituelle Bedeutung. " .. erst nach und nach eröffnete sich ihm die vielschichtige Welt des lebendigen Organismus – das spezifische Wachstum und die Beschaffenheit der verschiedenen Baumarten, der Einfluss der Jahreszeiten, die Veränderung durch Erde, Wasser Luft und Feuer sowie durch Zeit, Licht und Dunkelheit. .." (Julian Andrews, The Sculpture of David Nash, S. 154f)
1977 pflanzte Nash in seinem Heimatort Cae'n-y-Coed (North Wales) zweiundzwanzig Eschen in einem Kreis an. Er beschnitt und erzog ihre Stämme und Äste so, dass ihre Kronen im Laufe der Jahre zu einer Kuppel zusammen wuchsen. Mit diesem Ash Dome schuf er ein auf Jahrzehnte angelegtes konzeptuelles Land-Art-Kunstwerk. Nun arbeitet er schon seit langem fast ausschließlich mit dem Holz abgestorbener Bäume. Sie geben Nashs geometrische Formen vor: Pyramiden, Kugeln und Kuben. Das Schwarz von verkohltem Holz ist zu einer Erkennungsfarbe geworden.
David Nashs Weathered Cork Dome, der extra für diese Ausstellung entstand, ist seine eindrucksvollste Arbeit in Donaueschingen. Mehrere Zeichnungen und eine Bronzeguss Skulptur ergänzen die "Nash-Präsentation".

Thomas Elsen beschreibt anschaulich Kenny Hunters Tierskulpturen. Sie stehen auf Paletten, Kisten, einem Ölfass im Autoreifen und dgl. Sie sind ironische Versatzstücke für den klassischen Sockel einer Skulptur in der heutigen Zeit. Die Tiere leben in einer von Menschen geschaffenen Umgebung, in starkem Kontrast zur Natur, die Halls und Nashs Werke bestimmt. Besonders deutlich zeigt dies Elsen (und Hunter natürlich) bei Like Water in Water: Vom Rand einer Plastikwanne, wie sie für Gartenteiche verwendet wird, steigt ein Reh in einen dort liegenden Autoreifen.
Aus einer Öffnung am Hals läuft Wasser ins Becken. Das Tier wird zur Dekoration des heimischen Zierteichs, zur Persiflage einer Brunnenfigur. Das ist Sarkasmus pur. - Elsen beschreibt dies ausführlich (Katalog S. 74). Ein solcher Text kann die Reflektion und eigene Fantasie des Betrachters wirklich anregen.

Drew Hammond schreibt: "Es ist ganz offensichtlich, dass Reiz und Spannung von Matthew Radfords Werken auf dem Zusammenspiel wechselnder Abstufungen von Figuration und Abstraktion beruhen." (S. 90) Recht wortgewaltig und detailliert, aber gut lesbar, erklärt er Radfords Malstil.

Viele Bilder zeigen Menschen unscharf, ganz bewusst verwischt. Bei Fotos würde man von einem Schleiereffekt sprechen. So entstehen Bewegung, Dynamik und die scheinbare Flüchtigkeit des Momentes. Ausstellungswerke Radfords sind großflächige Acrylbilder, etwa Here today I und April City. Sie scheinen Szenen aus einer unruhigen Stadt zu sein, anonyme Akteure gehen oder bewegen sich im Laufstil. Anders, und doch wieder ähnlich, sind die Park Paintings: An einem hellgrünen Wandstück hängen die siebzehn Bilder dieser Serie. Es sind Menschen in einem Stadtpark. Wie auf separaten Inseln sitzen sie, sonnen sich, dösen oder spielen.

Rachel Spence schreibt sehr ausführlich über May Cornets Werdegang und die drei Installationen, die im der Ausstellung gezeigt werden. Als Enkelin des Malers Lucian Freud und des Bildhauers Jacob Epstein ist Cornet tief verwurzelt in der Welt der Kunst. In klassischer europäischer Bildungstradition folgte ihrem Kunststudium ein Aufenthalt in Venedig, der völlig unerwartet verlief. May Cornets Arbeiten entstanden, die das Museum Biedermann zeigt: Portable Garden, Box 3, ein kleiner Holzkoffer, der alle Teile der Installation enthält. In Miniaturform sind dies eine gewölbte Brücke, zwei Dodekaeder und drei Enten. Als Hintergrund kommt noch ein langes Papierblatt hinzu, bedruckt mit Grashalmen. From Now On ist die Großversion von Portable Garden. Die Installation All the O’s in Italian, ein kleiner Raum, dunkle Wände, im oberen Teil von Zeitungsblättern bandartig bedeckt. Ein Glaskasten, der an einen Reliquienschrein erinnert. Darin ein Häufchen, es ähnelt Asche. Das sind all die ausgeschnitten italienischen O‘s.
Wohl um May Cornets drei Installationen einen bedeutsamen Rahmen zu verleihen, nennt Spence George Steiner, Charles Baudelaire, Platon und Thomas Mann. Das hat sie jedoch gar nicht nötig.
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Fotoserie: British Art + im Museum Biedermann
mit freundlicher Erlaubnis: Museum Biedermann

(Diese Fotoserie kann aus presserechtlichen Gründen nur während der Laufzeit der Ausstellung gezeigt werden.)

Gestaltung des Katalogs:
Schon von anderen Büchern des modo Verlags ist mir die hochwertige Aufmachung gut bekannt. In Zusammenarbeit mit dem Museum Biedermann entstand ein Katalog, bei dem Umschlag, Papier, Schrift, Layout und vor allem auch die Fotos ausnehmend gut abgestimmt sind. Darin steckt viel Arbeit, für den Leser ist es aber eine wahre Freude.

Zur Ausstellung:
Nach unseren Rundgängen durch alle Ausstellungsräume des Museums hatten wir Skulpturen, Bilder und Installationen bunt gemischt im Kopf.
Was gefiel uns besonders gut? War es Nigel Halls Skulptur Wide Passage und die harmonische Zusammenstellung seiner Zeichnungen? Oder David Nashs wunderbarer Weathered Cork Dome? Oder Kenny Hunters Like Water in Water? - Auch nach unserer Rückfahrt waren wir uns noch nicht einig. Was ich gar nicht verstand: Matthew Radfords Red Bus II oder April City sahen nicht alle als eine eindrucksvolle Entdeckung. Wir redeten, lachten und rekapitulierten Erinnerungen, etwa unseren Besuch 2008 in Nigel Halls Londoner Atelier und die Ausstellung seiner Großskulpturen im Yorkshire Sculpture Park; Nashs Three Stones for Three Trees, recht unauffällig im selben Park ...

Deshalb ein paar weitere Hinweise:
Unter dem Titel Kunst und Natur im Dialog finden Sie zwei der ausgestellten Künstler, Nigel Hall und David Nash schon seit etlichen Jahren im Freigelände um das Kloster Schönthal bei Basel. Und im Abtsaal des Klosters sind derzeit noch Werke von David Nash zu sehen (bis 25. Mai 2015). - David Nash bei der Arbeit an Ash Dome in Cae'n-y-Coed können echte Fans auch in einem 18-minütigen Video erleben.

Dass Hall und Nash schon mehrfach bei Blickachsen im hessischen Bad Homburg v. d. Höhe ausgestellt waren, ist Ihnen sicher längst bekannt. Schon kurz vor der Eröffnung der Blickachsen10 (31. Mai – 4. Oktober 2015) eröffnet die Galerie Scheffel eben dort eine Ausstellung mit Arbeiten von Nigel Hall (8. Mai - 20. Juni 2015).

Sie sehen: Auch noch weitere Extrameilen lohnen sich!




Fotoserie zu Werken von Nigel Hall + David Nash

Der Wert des Katalogs bleibt auch nach der Ausstellung bestehen, als breit gefächerter Einblick in das Leben und künstlerische Schaffen dieser britischen Bildhauer, Installationskünstler und Maler. Man liest gerne nach und erinnert sich an Einzelheiten.

Text: ehauff - 04/2015