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Thomas Stricker – Skulpturale Fragen
Texte von u.a.
Stefanie Kreuzer, Gregor Jansen, Markus Heinzelmann, Thomas Stricker, Pia
Witzmann im Gespräch mit Thomas Stricker
240 Seiten, 29 x 23
cm, deutsch,
443 zum Teil großformatige Abbildungen Hardcover, Fadenheftung
ISBN
978-3-86833-081-6 - €
38,00
modo Verlag GmbH,
Freiburg, 2011
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In
Grevenbroich hat sich ein Blitz materialisiert – im
namibischen Etaneno steht Agrikultur auf dem Lehrplan
einer Grundschule, im Verbund mit einem „Museum im Busch“.
- In Düsseldorf wird eine Brunnenstube gebaut deren
Wasser in Kenia fließt. - In einer Hamburger Alsterwiese
liegt ein Meteorit, in der Heilpädagogischen Schule
Flawil (Schweiz) ist ein solcher in einem Baum gelandet.
- In Mexico City beginnen die Bewohner einer Sozialbau-Siedlung
ihren Müll zu kompostieren, um das Pflanzenwachstum
in ihrer Grünanlage zu verbessern.
Was verbindet
diese Skulpturen und Projekte, was haben sie mit Kunst
zu tun?
Nun, sie wurden alle von Thomas Stricker
geschaffen, einem Schweizer Bildhauer, Projekt- und
Installationskünstler. Ihr Zusammenhang mit dem
Begriff „Skulptur“ ist komplexer, vielleicht sogar erklärungsbedürftig.
„Alles
bewegt sich fort und nichts bleibt“ formulierte Heraklit
schon im 5. vorchristlichen Jahrhundert. Im Verlauf
des Universums ist die Geschichte der Lebewesen und
der Menschheit nur eine kurze Episode. Die Jetzt-Zeit,
in der wir leben, ist kaum messbar. Mensch, Natur, Umwelt
und Technik sind eng verknüpft durch Interdependenz
und Wechselwirkungen, Aktionen und Reaktionen. Der Kosmos
kennt keine monolithischen Fixpunkte. Doch haben wir
Menschen eine einzigartige Einflussmöglichkeit.
Unser Wissen und unsere Erfindungsgabe befähigen
uns. Unsere Taten haben Wirkung. Wir können verbessern
und zerstören.
Joseph Beuys prägte
den erweiterten Kunstbegriff „Soziale Skulptur“. Er
weist darauf hin, dass jeder Mensch Einfluss ausüben
kann und auch eine Verantwortung hat. Die Konzeptkunst
räumt seit den ‘60er Jahren der Idee eines Kunstwerks
eine vorrangige Bedeutung ein, nicht nur der Ausführung.
Aus beiden Wurzeln scheinen seit 1996 Thomas
Strickers 108 „Skulpturale Fragen“ gewachsen zu sein.
Seine ortsspezifischen Projekte und Skulpturen benutzen
vielfältige Materialien, wie etwa Alabaster, Beton,
Gummi, Hartschaum, Holz, Pflanzen oder Paraffin-Wachs,
Video-Installationen und Texttafeln. Stets ist Strickers
Interesse an fließenden organischen und geologischen
Formen zu erkennen, an Wasser, als Lebensgrundlage und
zerstörerischem Element.
Strickers 108 skulpturale
Fragen „ … sind ein Behälter für Utopien,
Träume und Fragen wo, wie und was heute für
ihn Skulptur sein kann ..“, sagt er über sich selbst.
Er gibt keine Antworten sondern zeigt Möglichkeiten
und Beispiele. Er beweist sich als Philosoph, Moralist,
Träumer, Überzeugungstäter und Weltverbesserer.
Und er wird fast zum pädagogischen Schalk: … Schau
genau hin, probiere doch selbst, assoziiere, träume,
fantasiere
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und tu‘ etwas – nur dann wirst Du sehen, was Skulpturen
sind, sein können, oder mit Dir anstellen! … scheint
er zu sagen. Aktionen und Werke lassen vielschichtige
Assoziationen zu. Die Entstehungs- und Arbeitsprozesse
der Werke Strickers, sind interaktive Kommunikationsprozesse
mit Auftraggebern und Betrachtern. Ebenso das Scheitern
eines Projekts. Auch das wird gezeigt. Alles Weitere,
Risiken, Möglichkeiten und Nebenwirkungen, bleiben
also dem Leser überlassen. Eine Beurteilung, eine
Definition, wird stets eine eigene und persönliche
sein.
Zum
Inhalt: Was
will Stricker uns nun erklären, zeigen oder erzählen?
Es ist kein analytisches Text- und Sachbuch sondern
ein Buch der Möglichkeiten, Beispiele und Bilder.
Stricker ist sicher kein Ästhet, der einen schwankenden
Kunstmarkt bedient.
„Skulpturale Fragen“ ist
der Buchtitel. Im Buch zu lesen, sind die 108 Fragen
nicht. Aber es werden Beispiele aufgezählt: Siebenundzwanzig
Projekte, eine Aktion und zwei Ausstellungen. Chronologisch
oder numerisch geordnet sind sie nicht. Kurze Beschreibungstexte
findet man erst auf 6 Seiten im Anhang. Dafür findet
sich der Betrachter in einer überschäumenden
Fülle von Bildern wieder, die er ganz sicher nicht
rational sortieren kann. Man begibt sich in nahe und
ferne Gegenden auf allen Kontinenten. Und auch ins eigene
Innere, in „Die Geologie des freien Willens“, wie Stricker
sagt. Es werden Emotionen geweckt, eigene Erlebnisse
und Fantasien, man gerät ins Nachdenken oder ins
Grübeln. (Ich gestehe, ich habe auch von vielem
geträumt.)
Da nun aber erst 27 Fragen angesprochen
sind kann man auf die restlichen 75% sehr gespannt sein.
Ein unerschöpfliches Buch. Jedem zu
empfehlen, der sich mit aktuellen Entwicklungen der
Kunst im öffentlichen Raum auseinander setzt. Es
immer wieder in die Hand zu nehmen, ist Vergnügen
und Gewinn.
Anhang: Kurz gefasste
Beschreibungen aller in Bildern gezeigter Projekte –
Biografische Daten – Chronologisches Verzeichnis der
Ausstellungen – Chronologisches Verzeichnis der Projekte
im öffentlichen Raum – Preise und Stipendien Ausgewählte
Bibliografie
---------------------------------------------------- Webseite
Thomas Stricker: http://www.thomasstricker.ch/index.html
Thomas
Stricker bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas
Stricker
Text: ehauff - Oktober
2011
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