Die Digitalisierung der Arbeitswelt macht auch nicht vor Architekten und
Bildenden Künstlern halt. Eine Ausstellung im Lehmbruck Museum Duisburg widmet
sich nun erstmals der "Digitalen Raumkunst" und zeigt, wie der
Computer neue Möglichkeiten für Kunst schafft.
Karin Sander steht neben sich. Die Schweizer Künstlerin, die in Zürich lehrt
und in Berlin lebt, stellt das erste Objekt ihrer Duisburger Arbeit vor: ein
dreidimensionales Selbstporträt, das sie in bequemer Haltung mit verschränkten
Armen zeigt, den Kopf leicht schräg gelegt, den Blick in die Ferne geheftet.
Die knapp dreißig Zentimeter große Figur steht in einem noch leeren Regal. Im
Verlauf der Duisburger Schau wird es sich füllen und viele Ausstellungsbesucher
werden ihr dort Gesellschaft leisten. Im Format 1:6, so der Titel der Arbeit,
als farbige Bodyscans, die in Gips ausgedruckt werden.
Ein ganzes Laboratorium hat die Künstlerin aufgebaut, um dieses Work in
Progress vor Ort entstehen zu lassen. Ein 3D-Weißlichtscanner nimmt in einer
Art Fotokabine die Personen auf, die Resultate werden am Computer
nachbearbeitet und schließlich an einen Farbstrahldrucker weitergeleitet, der
sie als Abbilder in Gips dreidimensional entstehen lässt. Ein Verfahren, dass
industriell entwickelt wurde für die Herstellung von hoch präzisen Werkzeugen
und Maschinenteilen.
Die Form wird mit Feuchtigkeit gebunden, den rundherum verbleibenden
pulverförmigen Gips, kann man - mit der Vorsicht eines Archäologen - einfach
wegsaugen und so die Figur freilegen. Die Besucher des Lehmbruck-Museums werden
staunen über dieses verblüffende Ergebnis von Hightech. Was bringt das
Verfahren der Künstlerin Karin Sander?
"Ich benutze eine Technologie, die eine Art von Übertragung in eine andere
Realität vornimmt, das interessiert mich. Die Personen stellen sich in den
Scanner, dann werden sie gebaut, ich mach sie nicht dicker, nicht dünner, nicht
größer, nicht schmäler, sondern es ist wirklich ein Transportieren der Daten
der Oberfläche, und die Oberfläche gibt die Haltung wieder und ich finde es
interessant, wie sich doch diese Haltungen sehr unterscheiden und wie die
Haltung auf das Individuum zurück schließen lässt."
Das Spannungsfeld von technischer Objektivität und künstlerischer Subjektivität
interessiert Karin Sander, und auch wenn die neue Technologie in ihrer Arbeit
so breiten Raum einnimmt, wird sie ihr niemals zum Selbstzweck.
"Ich glaub, dass die Kunst zuerst da ist, man hat sich ja schon lange mit
dem Porträt und dem Abbilden beschäftigt, die Idee, eine Figur abzunehmen und
wiederzugeben, ist eine sehr alte, und dass die Technik das auch versucht, ist
eigentlich nur 'ne logische Folgerung aus dem." Diese Einschätzung teilen
auch die Düsseldorfer Künstler Marie-Charlotte Hoffmann und Christof Hartmann,
die eine sakral anmutende Rauminstallation geschaffen haben: Wie das Fundament
einer Kirchenruine wirkt ein Karree aus kniehohen Reliefs, die aus Beton
gegossen sind. Es ist umstellt von Masken und Köpfen, die aussehen wie
primitive Kultfiguren. Und auf einem altarartigen Block in der Mitte steht ein
langsam rotierender Laserscanner, der permanent den ganzen Raum abtastet und
aus verschiedenen Perspektiven Bilder errechnet, die die Besucher und ihre
Bewegungen ebenfalls einbeziehen. Als zweidimensionale Projektion in magisch
grün flimmernden Linien wird sie auf die Wand geworfen.
"Archive für Genauigkeit und Seele" nennen die Künstler diese Arbeit.
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"Das ist 'ne neuere Entwicklung, ich hab mich da seit Jahren mit
auseinandergesetzt so nebenbei, das hat sich vorbereitet. Wir haben das
verfolgt über die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Wissenschaftlern und
daraus hat sich das ergeben, das Verfahren in direkten Zusammenhang zu bringen.
Das ist enorm inspirierend, das wird sicher die bildhauerische Arbeit verändern
und wird sich vertiefen." Sagt Marie-Charlotte Hoffmann, die nicht nur die Düsseldorfer Kunstakademie
absolviert hat, sondern auch ein Medizinstudium mit Schwerpunkt Neurologie.
Diese rätselhafte Installation thematisiert auf sehr komplexe Weise die Zeit
und die Ambivalenz der Zeiterfahrung: Was so urtümlich aussieht, ist heute
geschaffen und aktualisiert nur eine Erfahrung von Tradition, die uns alle
prägt. Was technisch geradezu futuristisch wirkt, bildet doch einen Moment ab,
der bereits vergangen ist.
"Es hat was Archaisches und es hat was Modernes, und dieses Ineinander
find ich besonders schön."
Christof Hartmann ist überzeugt, dass neue Technologien das Berufsbild des
bildenden Künstlers erweitern und verändern werden - auch was rein
handwerkliche und ausbildungspraktische Aspekte angeht - nicht aber das
eigentliche künstlerische Konzept.
"Das müsste man mir noch mal genau erklären, wieso ich etwas nur machen kann,
wenn ich es im Rechner - es muss ja vorher mal in meinem Hirn gewesen sein,
damit ich es in den Rechner projizieren kann, und insofern gibt es für mich nur
einen Quellcode, der ist sowieso ganz woanders."
Für die Architekten, die in einer zweiten Abteilung der Duisburger Ausstellung
vertreten sind, haben Digitalisierung und Computersimulation einen noch höheren
Stellenwert. Nicht nur für die suggestive Veranschaulichung eines geplanten
Bauwerks in seiner Umgebung, die in Modellen und Videopräsentationen in der
Ausstellung zu sehen ist - ganz so als wäre zum Beispiel das lange geplante
Eurogate von Norman Foster im Duisburger Innenhafen bereits städtebauliche
Realität.
Oft sind die Möglichkeiten der digitalen Technik schon für die Erfindung eines
Baukörpers konstitutiv. Die Ausstellung zeigt das Beispiel der Münchner
Allianz-Arena, erbaut von dem Basler Büro Herzog & De Meuron.
Ohne digitale Verfahren zur Gestaltung und statischen Berechnung des
Raumvolumens wäre dieses fast irreale, wie ein Kissen aus Licht schwebende
Gebäude nicht zu konzipieren gewesen.
Kurator Dr. Gottlieb Leinz, der diese erste Museumsausstellung zur digitalen
Raumkunst gestaltet hat, schwärmt von einer utopischen Aufbruchsstimmung: "Die
moderne Zeit, die digitale Kunst, die zeigt uns Raum in der Simulation, sie
will uns überwältigen, das Licht verwandelt uns, macht uns dynamisch, das ist
schon neu. In den Köpfen passiert vieles, das mentale Moment ist sehr stark,
und das verändert uns."
Die Ausstellung "Digitale Raumkunst" ist vom 25.5. bis zum 14.9.08 im
Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg zu sehen.
Lehmbruck
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