Was wird aus der Kunst im öffentlichen Raum?

Karoline Herold  -  02.09.2005
Veranstalter: Kulturreferat der Stadt Bergkamen und Kulturpolitische Gesellschaft e.V.

 
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Kunst ist vergänglich. Was bleibt, wenn Skulpturen und Plastiken unter freiem Himmel zerfallen? Und vor allem, wenn die Kunst von früher kein Publikum mehr versteht und retten will?

Auch das Schöne muss sterben

Die Jungen und Jüngeren werden die eingangs gestellten Fragen vielleicht gar nicht verstehen. Die etwas Älteren hingegen schon. Was wird aus den Kunstwerken im öffentlichen Raum?

Die mindestens etwa 40-Jährigen aus Westdeutschland erinnern sich nur zu gut: In jeder westdeutschen Kommune gab es in der Gemeindegeschichte einmal einen Streit über dieses oder jenes Kunstwerk, das an prominenter Stelle auf dem Marktplatz oder einer Verkehrsinsel errichtet wurde. In den 80ern gab es da großzügige Gesten von Gemeinderäten. Bildhauer fühlten sich bestätigt in ihrer Arbeit. Heute hingegen hat sich die Lage verändert. Finanzpolitisch sind die Budgets gekürzt oder gestrichen. Kulturell geraten die Werke häufig in Vergessenheit. Dass einst über die profane Stadtplanungsregel debattiert wurde, ob Marktplätze oder Verkehrsinseln mit Blumenkübeln nicht unkomplizierter und verständlicher als mit Kunst gestaltet wären, wissen die Bürgerinnen und Bürger meist gar nicht mehr. Um die Historie von "Schönheit" zu erläutern, müsste man vermutlich so wie anno dazumal von vorn beginnen und erklären, dass Kunst und Blumenkübel so verschieden sind wie die sprichwörtlich nicht miteinander vergleichbaren Äpfel und Birnen.

Die mindestens etwa 30-Jährigen aus Ostdeutschland hingegen brauchen sich gar nicht zu erinnern, weil ihnen der unbegreifliche Tatbestand noch deutlich vor Augen sein wird: dass unzählige als "sozialistische und damit verwerfliche" Kunstwerke aus dem öffentlichen Raum schnurstracks entfernt wurden. Finanzpolitisch war damals zumindest so viel Geld vorhanden, die Abriss-Kräne und -Bagger auszuzahlen. Kulturell hatte sich in den Köpfen der Akteure schlichtweg der Wille zum Kaschieren festgesetzt. Doch dies ist ein anderes Thema.

Tatsache ist, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht mehr die große Lobby besitzt wie einst. Deshalb nahm sich diesen Monat die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. und das Kulturreferat der Stadt Bergkamen des Themas an.


 
Nach über 30 Jahren fortgeschrittener Ausstaffierung unserer Städte mit Kunst im öffentlichen Raum stehen wir vor der kunstwissenschaftlich, konservatorisch und zweifellos auch urheberrechtlich heiklen Herausforderung einer ersten Revision - und der Frage nach dem Danach.

Viele Kunstwerke im öffentlichen Raum sind wie gesagt vergessen, aber: sie verfallen auch. Was früher als "Rötlich-braune Patina" einer rostigen Eisenskulptur gedacht war, hat sich mittlerweile durchs Material gefressen. Soll da ein Restaurator etwa neues Material beifügen? Oder ein anderes Beispiel: Ein Bildhauer, der früher in der Region bekannt war, ist heute nach zwei Generationen weitgehend vergessen. Soll eine Kommune, die ein Werk von ihm besitzt, ihm eine besondere Erinnerung einräumen? Und wenn ja, warum ihm, dem Künstler, alldieweil 'Künstler' lediglich sein Beruf war? Schließlich sind nach zwei Generationen auch eine Menge damals regional bedeutender Firmen, Handwerksbetriebe oder Kaufleute in Vergessenheit geraten. Letzterer Vergleich stimmt Kulturfreunde häufig missmutig und sie reagieren darauf, auf Zustimmung zur Selbstverständlichkeit zielend, dass "das ja was ganz anderes sei". Na klar, ist das was ganz anderes. Aber der Vergleich führt einen zur Frage, warum denn ausgerechnet der Kunst der Bewahrungsanspruch zu Gute kommen soll und anderen Bereichen des täglichen Lebens nicht. Und damit wäre man auch wieder bei jenen Vergleichen von Äpfeln und Birnen angelangt. Wird bei brüchigen Blumenkübeln eigentlich ausgebessert oder werden sie durch neue Töpfe ersetzt?

Zum Kunstwerk gehört die Kultur, wie die Menschen mit ihm umgehen. Deshalb ist die die erwähnte Fachtagung mit Sicherheit ein sehr hohes kulturelles Niveau, das die kulturpolitische Gesellschaft der "Kunst im öffentlichen Raum" beimisst. Doch die Finanzmisere der Kommunen wird das Niveau vermutlich bald senken. Das ist schmerzhaft. Zudem wird der Zahn der Zeit vor allem durch Witterung viele Plastiken langfristig beschädigen. Auch das ist schmerzhaft, gehört aber dazu... Auch das Schöne muss sterben, beginnt Schillers Gedicht "Nänie". Darin wird besungen, dass auch der bloße Hauch von Erinnerung an das vergangene Schöne die Kunst wert war. Moderner formuliert: So lange über ein Kunstwerk kommuniziert wird, hat sich die Erschaffung jenes Werkes gelohnt. Es fragt sich nur, wie kommuniziert wird. Das elendige Finanzierungsgejammere übertüncht nämlich allmählich die simpelsten künstlerischen Botschaften, die von so mancher Kunst im öffentlichen Raum eigentlich ausgehen sollte.
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