Kunst ist vergänglich. Was bleibt, wenn Skulpturen und Plastiken unter freiem
Himmel zerfallen? Und vor allem, wenn die Kunst von früher kein Publikum mehr
versteht und retten will?
Auch das
Schöne muss sterben
Die
Jungen und Jüngeren werden die eingangs gestellten Fragen vielleicht gar nicht
verstehen. Die etwas Älteren hingegen schon. Was wird aus den Kunstwerken im öffentlichen
Raum?
Die mindestens etwa 40-Jährigen aus Westdeutschland erinnern sich nur zu gut: In
jeder westdeutschen Kommune gab es in der Gemeindegeschichte einmal einen
Streit über dieses oder jenes Kunstwerk, das an prominenter Stelle auf dem
Marktplatz oder einer Verkehrsinsel errichtet wurde. In den 80ern gab es da
großzügige Gesten von Gemeinderäten. Bildhauer fühlten sich bestätigt in ihrer
Arbeit. Heute hingegen hat sich die Lage verändert. Finanzpolitisch sind die
Budgets gekürzt oder gestrichen. Kulturell geraten die Werke häufig in
Vergessenheit. Dass einst über die profane Stadtplanungsregel debattiert wurde,
ob Marktplätze oder Verkehrsinseln mit Blumenkübeln nicht unkomplizierter und
verständlicher als mit Kunst gestaltet wären, wissen die Bürgerinnen und Bürger
meist gar nicht mehr. Um die Historie von "Schönheit" zu erläutern,
müsste man vermutlich so wie anno dazumal von vorn beginnen und erklären, dass
Kunst und Blumenkübel so verschieden sind wie die sprichwörtlich nicht miteinander
vergleichbaren Äpfel und Birnen.
Die mindestens etwa 30-Jährigen aus Ostdeutschland hingegen brauchen sich gar
nicht zu erinnern, weil ihnen der unbegreifliche Tatbestand noch deutlich vor
Augen sein wird: dass unzählige als "sozialistische und damit verwerfliche"
Kunstwerke aus dem öffentlichen Raum schnurstracks entfernt wurden.
Finanzpolitisch war damals zumindest so viel Geld vorhanden, die Abriss-Kräne
und -Bagger auszuzahlen. Kulturell hatte sich in den Köpfen der Akteure
schlichtweg der Wille zum Kaschieren festgesetzt. Doch dies ist ein anderes
Thema.
Tatsache ist, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht mehr die große Lobby
besitzt wie einst. Deshalb nahm sich diesen Monat die Kulturpolitische Gesellschaft e.V.
und das Kulturreferat der Stadt Bergkamen des Themas an.
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Nach über 30 Jahren fortgeschrittener Ausstaffierung unserer Städte mit Kunst
im öffentlichen Raum stehen wir vor der kunstwissenschaftlich, konservatorisch
und zweifellos auch urheberrechtlich heiklen Herausforderung einer ersten
Revision - und der Frage nach dem Danach.
Viele Kunstwerke im öffentlichen Raum sind wie gesagt vergessen, aber: sie
verfallen auch. Was früher als "Rötlich-braune Patina" einer rostigen
Eisenskulptur gedacht war, hat sich mittlerweile durchs Material gefressen.
Soll da ein Restaurator etwa neues Material beifügen? Oder ein anderes
Beispiel: Ein Bildhauer, der früher in der Region bekannt war, ist heute nach
zwei Generationen weitgehend vergessen. Soll eine Kommune, die ein Werk von ihm
besitzt, ihm eine besondere Erinnerung einräumen? Und wenn ja, warum ihm, dem
Künstler, alldieweil 'Künstler' lediglich sein Beruf war? Schließlich sind nach
zwei Generationen auch eine Menge damals regional bedeutender Firmen,
Handwerksbetriebe oder Kaufleute in Vergessenheit geraten. Letzterer Vergleich
stimmt Kulturfreunde häufig missmutig und sie reagieren darauf, auf Zustimmung
zur Selbstverständlichkeit zielend, dass "das ja was ganz anderes
sei". Na klar, ist das was ganz anderes. Aber der Vergleich führt einen
zur Frage, warum denn ausgerechnet der Kunst der Bewahrungsanspruch zu Gute
kommen soll und anderen Bereichen des täglichen Lebens nicht. Und damit wäre
man auch wieder bei jenen Vergleichen von Äpfeln und Birnen angelangt. Wird bei
brüchigen Blumenkübeln eigentlich ausgebessert oder werden sie durch neue Töpfe
ersetzt?
Zum Kunstwerk gehört die Kultur, wie die Menschen mit ihm umgehen. Deshalb ist
die die erwähnte Fachtagung mit Sicherheit ein sehr hohes kulturelles Niveau,
das die kulturpolitische Gesellschaft der "Kunst im öffentlichen
Raum" beimisst. Doch die Finanzmisere der Kommunen wird das Niveau
vermutlich bald senken. Das ist schmerzhaft. Zudem wird der Zahn der Zeit vor
allem durch Witterung viele Plastiken langfristig beschädigen. Auch das ist
schmerzhaft, gehört aber dazu... Auch das Schöne muss sterben, beginnt
Schillers Gedicht "Nänie". Darin wird besungen, dass auch der bloße
Hauch von Erinnerung an das vergangene Schöne die Kunst wert war. Moderner
formuliert: So lange über ein Kunstwerk kommuniziert wird, hat sich die
Erschaffung jenes Werkes gelohnt. Es fragt sich nur, wie kommuniziert wird. Das
elendige Finanzierungsgejammere übertüncht nämlich allmählich die simpelsten
künstlerischen Botschaften, die von so mancher Kunst im öffentlichen Raum
eigentlich ausgehen sollte. 
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