Aus: EXIT Neue Kunst in Polen, Nr. 2(66) 2006
Dorota Grubba                                                  
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Jan de Weryha-Wysoczañski, "Offenbarungen in Holz"

Museum für Gegenwartsskulptur, Zentrum für Polnische Skulptur in Oroñsko

Jan de Weryha-Wysoczañski ist ein Künstler großer Räume.
Den Innenraum misst er mit Schritten auf der Suche nach Spannungen, nach dem Begreifen der Eigenschaften; seine
Ablesung inauguriert einen Prozess eigenen Zehmens, Verarbeitens. Er führt unwahrscheinlich geheimnisvolle, meditative Holzobjekte ein, die raue Schönheit und rohe Technik ausstrahlen, Ergebnisse monatelangen Ringens im Hamburger Atelier. Weiter gestaltet er ephemere Zonen, die den Raum mildern und die dem Ort innewohnen - gegenwärtig den neunhundert Meter Raum des Museums der Gegenwartsskulptur im Zentrum für Polnische Skulptur. Offenbarungen in Holz, sowie frühere Präsentationen von Jan de Weryha-Wysoczañski hat man als künstlerisches Ereignis gefeiert - als eine der schönsten und ergreifendsten Skulpturenausstellungen der letzten Zeit befunden.


Der Kontakt mit diesen aufrichtigen Versuchen die Naturgeheimnisse zu definieren, eröffnet Prozesse persönlicher Epiphanien oder eines Pantheismus geradezu und obwohl jegliche erzählerische Träger fehlen, provoziert er eine intellektuelle Polemik der großen Phänomene der Gegenwartskultur und -Kunst.



Das Flimmern der Hölzernen Tafel [2002] erzeugen Teilchen rechteckiger Gestalt. Nur die obere Haut - Fragment der Holzrinde, entgeht der Geometrie. Das was scheinbar ein der Natur entnommenes Element ist - ist seine Dekonstruktion und Simulation, die durch Segmentierung hölzerner Pixel erreicht wurde. Hölzerne Säule [2003] - ein in seinen Proportionen massiver Zylinder, dick wie eine alte Eiche, flößt den Respekt eines scheinbaren Kultobjektes ein. Es bedeckt ihn in vertikaler Ausrichtung eine Vielzahl rechteckiger Mikrofragmente aus Rinde - die ihre Struktur imitieren.
»Indem man Verbindungen matriziert und dekodiert, umstößt man die für die transzendentale Erinnerung und die Kultur (...) im Sinne einer gattungshaften Unterscheidbarkeit/einer Beständigkeit dessen was ist... «

 


Die subkutane Reflexion über die virnotwendige Regel der "Negation der Arbeit" (...) umstößt man die Arbeit der biologischen Evolution (...)
 die Naturtuelle Realität macht schnell einem geradezu therapeutischen Versinken ins Hören Platz. Die Rauheit des mit der Axt gespaltenen Holzes nimmt archaische Bedeutungen an: Die des Oikos, der Pergamentornamente, japanischer Architektur, der Architektur ohne Architekten, von Holzbibliotheken des 18. Jahrhunderts und weiter Brancusis hölzerner Skulpturen oder spezifischer, heute degradierter Konstruktionen, sog. "Häuser aus Holzkloben".

In horizontalen Anordnungen überträgt Weryha-Wysoczañski die Entropie der Land Art und das Konkrete der Minimal Art in die Gegenwart: Den phänomenologischen Geist der Arbeiten von Carl Andre, die ephemeren Handlungen von Richard Long, Robert Smithson und anderen Denkern - Wanderern des vergangenen Jahrhunderts. Auf der anderen Seite beruft er sich auf die ältesten Traditionen der Weltkulturen: Das Aufschütten von Mandalas oder das Abstecken klösterlicher Zonen der Kontemplation.

Faszinierend ist der Kontakt mit diesen angehaltenen und bedeutsamen Gesten des Künstlers, wie er aus den Brettern Schimmern durch das polychrome Ansengen erreicht, wie er in der Maserung im Durchschnitt natürliche Bilder der Visualisten aufdeckt. Der Künstler multipliziert, baut Strukturen, Serien, abwechselnd legt er zusammen und auseinander, gibt toten Bäumen Kraft zurück, die durch den Wind gebrochen oder zur Abholzung vorbestimmt waren, wie die zur Kunst erhobenen jungen Birken - Material der zentralen monotonen Installation auf der Fläche eines griechischen Kreuzes. Ihnen gegenüber hat er Wegetappen in dem aktiven Raum abgesteckt und weckt einen in der Kunstperzeption verkannten Sinn - den Geruchssinn. Junge Bäume duften sehr, in der Intention des Künstlers provozieren sie zur Reflexion wie wichtig sie im geschlossenen Komplex der ökologischen Uhr sind, dass ihr Fehlen ein Ende allem Sein setzen würde.
Der langjährige, kontemplative Prozess mantrischer Unterteilung, Trennung, Ordnung und Entdeckung von Naturgeheimnissen ist für Jan de Weryha-Wysoczañski eine Art Ritual, in dem er den Raum erkennt und zeichnet. Physische Erschöpfung stellt das Gleichgewicht der Seele wieder her - die totale Ruhe.
Vor allem gibt es keine Aufteilung zwischen dem was Leben und dem was Kunst ist. Man soll sich nicht beeilen, man darf sich nicht verlieren.
In Jahre 1999 schuf er in Neuengamme bei Hamburg ein ergreifendes Denkmal gewidmet den deportierten Polen nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes und allen Opfern. Der Künstler vereint in ihm die Ideen der Erneuerung des 20. Jahrhunderts im Denken über das Denkmal. Auf eine quadratische glatt polierte steinige Fläche, die sich aus 36 kleineren Platten jede mit den Maßen 90 x 90 cm zusammensetzt, stellte der Künstler in geschlossener architektonischer Ordnung dreißig Hand behauene Granitelemente -
die auf die Individualität eines jeden Menschen hinweisen. Der zur Granitplatte hinführende mit Granitschotter ausgelegte Weg erinnert an den Leidensweg, den die zum Tode verurteilten Häftlinge des KZ-Lagers zurücklegen mussten. Die von dem Künstler von dem Chaos der Welt isolierte saubere, asketische Gedächtniszone zwingt zum Stehenbleiben, zum Überblenden, zum Schweigen.

Dorota Grubba, Mai 2006                    Zurück