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"Ich
arbeite angetrieben von Lust, angetrieben von der Notwendigkeit.
Das ist ein Drang, ein Muss", hat der Schweizer Bildhauer Bernhard
Luginbühl einmal in einem Gespräch formuliert. Über
das Ergebnis und sein Schaffen geben bisher drei umfangreiche Werkkataloge
Auskunft. Da gibt es den für Skulpturen und Plastiken von 2003,
der 1316 Werke in Stein, Gips, Holz Eisen, Bronze oder Aluminium
verzeichnet, von denen sich ca 550 in privatem oder öffentlichem
Besiitz befinden. Früher schon waren der der Druck- Graphiken
und der der Zeichnungen erschienen. Die Beschäftigung mit
seinem Werk zeigt eine Eigenart des Künstlers, nämlich
dass er mit seinen Arbeiten nie fertig wird. Ständig nimmt
es frühere wieder vor, verändert sie, baut sie um oder
ergänzt sie aus der inneren Notwendigkeit heraus, Gestaltung
und Erscheinung seinem Ort und der damit verbundenen Zwiesprache
anzupassen. Dabei entstehen Werkgruppen, die in der Vielzahl und
Unterschiedlichkeit der einzelnen Werke beeindruckend und überzeugend
sind. Zu nennen wären etwa die "Stengel", die "Giraffen",
die "C-Figuren", die "Atlas" benannten oder
auch die "Punches". Getragen von Witz, teilweise auch
schon von Ironie hat er Arbeiten geschaffen, die zu den besten des
20. Jahrhunderts gehören und die weit in das unsrige wirken.
Er setzt mit seiner Skulptur ein zeitgenössisches Zeichen.
Der Künstler will mit den tonnenschweren Metallassemblagen
durch die Zuordnung und Gestaltung der Fundstücke die Masse
auflösen und den Raum durchdringen, ja letztlich auch den Umraum
einbeziehen. Gleichzeitig betont er das Volumen und die Körperhaftigkeit.
Dabei baut er die einzelnen Arbeiten wuchtig und massig einerseits,
zierlich und feingliedrig andererseits und erreicht eine Spannung,
die jeden erreichte, der sich auf Bernhard Luginbühls Werk
einlässt. Der Künstler benutzt schweres und äußerst
widerstandsfähiges Material. Der Werkstoff fordert ihn heraus,
wenn er nur eine Form, ein Stück Figur erkennt, das sich letztlich
zu einem Großen und Ganzen zusammenfügen lässt.
Ein umfangreiches Materiallager in dem Ende 1965 erworbenen Anwesen
in Mötschwil, nämlich einem alten Bauernhaus nebst Nebengebäuden
und Land herum, ermöglicht ihm seine nie erlahmende Phantasie
einzusetzen und die fertigen Arbeiten in einem Umfeld zu plazieren,
das den Vergleich zwischen den Werken herausfordert und zugleich
die Überzeugung nährt, wie technische Form und Natur zueinander
gehören. Er ist souverän in der eigenen Formsprache. Bei
seiner Figurenwelt stimmen Form und Inhalt überein, sie nehmen
den Dialog mit dem Raum und den Mitmenschen auf. Bernhard Luginbühl
kommt von der Tierform und kehrt auch abstrakt immer wieder zu ihr
zurück. Er erkennt und überträgt sie, wie beispielsweise
bei der Flügelmutter, der Mickey-Mouse-Ohren wachsen. Schon
Paul Nizon wies auf das Frühwerk und seine Tierdarstellungen
hin, und sie lassen sich bis heute nachweisen. "Ausgangspunkt
vieler meiner Werke ist meist ein Fundstück. Wenn ich an einem
Ort Steine sah, die beim Abbruch einer Brücke anfielen, dann
nahm ich sie und setzte sie als Werkmaterial ein." So heißt
es in dem erwähnten Gespräch. Bernhard Luginbühl
gehört nach Wieland Schmied zu den großen Eisenbildhauern
unserer Zeit. Dieses Urteil wirkt umso mehr, da bekannt ist, dass
der Künstler Schrott liebt. Es sind die unerwarteten Fundstücke,
die ihn anregen. Inzwischen machen ihn viele Kenner seines Werkes
auf "Fundstücke" aufmerksam - wie etwa bei Abwracken
eines Schiffes auf dessen überdimensionale Schraube. Damit
ergeben sich neue Zusammenhänge, neue Formen und Figuren. "Beinhäuser
der Technik" werden die Orte genannte, die für ihn die
unerlässlichen Fundstellen sind, mit denen er sein eigenes
Lager und seine Phantasie wieder auffüllt. Was da so leicht
und scheinbar unvermittelt daherkommt, ist mittels vieler Zeichnungen
und Entwürfe durchdacht und vorbereitet. "Luginbühl
schreibt und zeichnet in Tagebüchern und Skizzenbüchern",
heißt es im Katalog der Zeichnungen. Aber auch in den Briefen
- und wer je einen erhalten hat, weiß sich glücklich,
die Verbindung von Schrift und Zeichnung als graphische Einheit
betrachten zu können. Das aufgeschlagene Buch in dem zentralen
Raum mit der riesigen Esstheke ist Ideenbewahrer und Merkheft zugleich,
in dem auch die kommenden Ausstellungen, ihre Termine und die Absprachen
verzeichnet werden. Bernhard Luginbühl ist in seiner Einheit
als Bildender Künstler und Schreiber ein großer Fabulierer. Überhaupt
diese Theke, an der sich ebenso wie an dem überdimensionalen
Steintisch vor dem Haus trefflich speisen und sprechen lässt
- denn "Kochen ist auch eine Kunst, das ist klar. Leider macht's
dick, leider". An diesen Plätzen hat man doppelten Genuss,
neben der Kunst kommt das Leibliche nicht zu kurz - und die stets
dankbaren Gäste werden einbezogen. Zurück zu den Eisenassemblagen
oder seinen kinetischen Plastiken, die mit einer klaren Konstruktion
verbunden sind. Er arbeitet derart präzise, dass mit Schrauben
und Montieren binnen Kurzem eine Arbeit zerlegt und auch wieder
aufgebaut werden kann. Die Kinetik stimmt, auch wenn die Laufschienen
der Kugel vermeintlich grob im Schrott daherkommen. "Ich probier's
halt ob's und bis es funktioniert", sagt er bescheiden. Nur
so sind die gigantischen Eisenfiguren zu bewältigen, wenn der
Künstler sie auf Zeit entlässt, um im Skulpturenpark der
BERNHARDLUGINBÜHLSTIFTUNG oder in einer Ausstellung aufgestellt
zu werden, bevor er sich ihrer erneut annimmt. Dieser Skulpturengarten
ist nicht nur eine Fundgrube für den Betrachter und Bewunderer
des Werkes. Er ist in seiner Größe und Anlage scheinbar
verwildert mit seinen Bäumen, Sträuchern und Biotopen;
in ihm ist auch die Tierwelt zu Hause. Man hört die Truthühner
schon von weitem, wenn man sich dem Anwesen nähert. Wie
glücklich die Zwiesprache zwischen den Plastiken Luginbühls
und dem außergewöhnlichen Stadtbild Bambergs ist, zeigt
sich beispielsweise am Schönleinsplatz, an der Konzert- und
Kongresshalle oder auch an der Universität. Besondere Bestätigung
erfährt man im Garten der Villa Concordia. Im Ausstellungssaal
gibt es zudem Holzfiguren mit Möbelfragmente, Geräten
und Werkzeugen. Es sind gearbeitete und gestaltete Hölzer,
deren Teilstücke wie bei den Eisenteilen zu neuen Formen zusammengefügt
werden. Mit Respekt vor dem Handwerk widmet er sich den Drechselarbeiten,
den Kugeln, den Schusterleisten sowie den Tisch- und Stuhlbeinen. "Das
Schönste sind für mich heute meine Verbrennungen. Etwas
entstehen lassen und durch Zerstörung der Korruption entziehen".
Die Verbrennungen sind wie Opferfeuer. Proteste des Künstlers
gegen die Zerstörung von Kulturgut und Natur sollen sie demonstrieren.
"Zorn" heißt denn auch eine frühe Skulptur,
die er 1976 auf dem Berner Allmend verbrannte. Die Verbrennungen
bilden aber auch Kulissen für Vernissagen oder Finissagen.
Mit ihnen schafft er eine Figur "die fünf Meter hoch ist,
plötzlich hundertfünfzig Meter hoch wird, funkenspeiend,
und dann in sich zusammenfällt und stirbt." Das ist seine
Freude, Freude an beweglichen Bildern, die bei dem Aufbau der Holzarbeit
bedacht ist. Gern verbindet er sie mit Feuerwerk und Geräuschen
etwa dem Abschuss einer Salutkanone. "Luginbühls Konzeption
erstrebt das offene Kunstwerk, das die Vielfalt unserer Welt widerspiegelt
und so die vielfältigsten Assoziationen auslöst. (W. Schmied)" Die
Bezeichnung ist vom Erscheinungsbild bestimmt, manchmal aber auch
einfach vom Material wie etwa bei "Stengel mit Abrissbirne".
Der eigenen Phantasie des Betrachters und seiner Interpretation
sind keine Grenzen gesetzt. Vor ihrer Willkür allerdings sollte
der Künstler bewahrt werden. 
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